Tim Booth, Sänger von James, sieht schön jugendlich aus. Damit war nicht unbedingt zu rechnen. Schließlich datiert die erste James-Veröffentlichung aus dem Jahre 1983. Und trotz knapp 17 Jahren Show-Biz trägt Tim nur einige interessante Linien im Gesicht. Einzig der Kampfanzug, den er trägt, scheint darauf zu verweisen, daß hier gerade ein Unwetter-erprobter Dauer-Künstler Platz genommen hat. Oder ein Vietnam-Veteran.
Der Tarnanzug paßt zu überhaupt nichts – außer zu der olivgrünen Kappe auf Tims Kopf. Denn die Devise von James lautet auch noch kurz vor 2000: „Pomp-Pop with guitar will never die!’ Und zu solch einem Statement wird gewöhnlich eher Bundfalte getragen oder ein geil exaltiertes Hemd. Aber – und das wird im Gespräch mit Tim schnell klar – James dürfen alles. Nicht schlechter Erziehung halber, nein, sie haben es sich verdient. Selfmade-Popstars aus Großbritannien. Aber so was von selfmade. Es war 1989, als sie ihre damalige Plattenfirma verließen, aus Stolz und Überzeugung, um hernach wissentlich mit nichts, wirklich nichts dazustehen. Doch der Wiederaufstieg folgte prompt. Pop machen und tough sein. So konnte es weitergehen, so ging es weiter. Und die unstraighte Vita ist das, was übrigbleibt. Popistische und britische Unbescheidenheit ritt die Band nun bei der Namenswahl ihres neuen Longplayers: „Millionaires’ – schön wär’s. Klassisch ist dieses Album geworden, ohne anachronistische Widersprüche oder Altersweisheit rauszuhauen. Aber vor allem ist es irgendwie Comeback. Denn nach Grübelphasen und der „Lollapalooza’-Tour in den USA sah es aus, als wär’s das gewesen. Gerade auch wegen Tims schwerer Nackenwirbelverletzung on stage. Vor Jahren. Touring, der ewige Feind von James, schien das übergelaufene Faß endgültig umgestoßen zu haben. Doch nun „Millionaires’ – nachdem bereits auf der „Best Of’ letztes Jahr zwei neue Stücke Grund zum Hoffen gegeben hatten. Und „das ist keine Episode, es ist definitiv ein Neuanfang.’ „Meßt sie an ihren Taten’, ruft es vom Himmel. Okay: bestes Zeichen für back in the ring ist die Nummer, daß James wieder auf dem europäischen Festland, gar Deutschland, spielten und spielen werden. Etwas, das seit sieben Jahren nicht mehr geschah und auch der konkrete Punkt ist, warum die Band hier und dort alle irgendwie nur halb kennen. Den Anfang vom Neuanfang machte das diesjährige „Haldern Open-Air’, wo James vom Publikum aufgenommen wurden wie der sprichwörtlich verlorene Sohn. Einfach schön, ihn wiederzuhaben. Daß er dann noch vorgibt, Millionär zu sein, ist doch nur die sexy Sahnehaube. Denn klar, James haben den Pop nicht neu erfunden, ignorieren im Gegenteil eher die eine oder andere Erfindung, aber sie kommen von einer wahnsinnig langen, beschwerlichen Reise, und da dürfen sie ruhig mal ein wenig prahlen. Hauptsache, sie sind zurück. Und gesund.