“Der Albumtitel ‘Millionaires’ soll zum Ausdruck bringen, dass wir noch hoffen”, grinst Gitarrist und Geiger Saul Davies, als wir ihn in einem zur Nobelherberge umgebauten Schloss am Niederrhein zum Interview treffen. Dabei war lange Zeit niemandem bei James zum Lachen zu Mute. Nach außen hin schien zwar alles rund zu laufen, aber innerhalb der Band kriselte es gewaltig. Natürlich, die ehemalige Lieblingsband von The-Smiths-Mastermind Morrissey, die schon 1983 ihre erste Single veröffentlichte, war gerade in ihrer Anfangszeit nicht unbedingt vom Erfolg verwöhnt. Erst 1990, mit ihrem dritten Studioalbum “Gold Mother” und der Hymne “Sit Down”, gelang ihnen der lang ersehnte Erfolg. Nachdem sie sich einer soundtechnischen Radikalkur durch Produzentengenie Brian Eno unterzogen, sorgte 1993 das Album “Laid” dann auch in Amerika für Aufsehen, aber obwohl sich die Band nach außen hin auch 1997/98 mit dem Album “Whiplash” und der englischen No.1-LP “The Best Of James” im Erfolg sonnte, kam es intern zum Zusammenbruch. Doch James rauften sich zusammen und ihr bisher eher unscheinbarer Gitarrist und Geiger Saul schwang sich zum Hauptsongschreiber für die exzellente neue Platte “Millionaires” auf, die vertraut und neu zugleich klingt.
Gästeliste: “Millionaires” ist die erste Platte, an der du als gleichwertiger Teilhaber am “Unternehmen James” mitgewirkt hast. Bisher war das 1989 zur Band gekommene Quartett aus Schlagzeuger David Baynton-Power, Keyboarder Mark Hunter, Trompeter Andy Diagram und Saul von der alten Garde – Sänger Tim Booth, Gitarrist Larry Gott und Bassist Jim Glennie – nur als bezahlte Musiker angestellt. Kommt daher das neue Selbstbewusstsein und das wiedergekehrte Zusammengehörigkeitsgefühl?
Saul: “Da ist was dran. Auf jeden Fall ist diese Platte so etwas wie ein Neustart – nicht nur musikalisch, sondern vor allem, was das Verhältnis der Bandmitglieder untereinander angeht. Für mich klingt sie auch ein bisschen wie “Gold Mother”, die erste Platte, die ich mit James aufgenommen habe.”
Gästeliste: Schon beim letzten Album “Whiplash” vor zwei Jahren steckte die Band in der Krise. Vor allem, weil Tim zeitgleich ein Solo-Album einspielte. Waren die Aufnahmen zur neuen Platte denn nun ähnlich kompliziert?
Saul: “Nein, diese Platte war viel einfacher zu machen. Viele der Songs haben wir nämlich in meinem Haus in Schottland und zu Hause bei unserem Keyboarder Mark aufgenommen. Als es dann an die eigentlichen Aufnahmen zusammen mit Brian Eno ging, sagte der nur: ‘Okay, dieser Song ist schon komplett, der ist auch schon fast fertig.’ Wir stellten fest, dass wir schon eine Menge der Arbeit erledigt hatten, und das war eine große Erleichterung.”
Gästeliste: Neben typischen James-Songs gibt es auf dem Album ja auch einige Überraschungen. Das ziemlich tanzbare “Afro Lover” zum Beispiel.
Saul: “Dieses Stück haben wir zusammen mit Jamie von der Band Faithless aufgenommen. Allerdings muss ich sagen, dass uns der technische Aspekt der Musik insgesamt nicht allzu sehr interessiert. Die besten Platten überhaupt sind schließlich immer noch von den Beatles und die haben mit nur vier Spuren (und oft nur mono) aufgenommen. Das Interesse an der Technik überlassen wir lieber Leuten mit kahlrasierten Köpfen. (lacht) Zum Beispiel Orbital!”
Gästeliste: Die erste Single “I Know What I’m Here For” erinnert dagegen ein bisschen an die große Zeit des Manchester-Sounds Anfang der 90er. Viele andere Bands aus der Zeit – The Stone Roses, Inspiral Carpets und eigentlich ja auch die Happy Mondays – haben inzwischen das Handtuch geworfen…
Saul: “Wir waren nie wirklich Teil der Manchester-Szene. Das gleiche gilt auch für dieses Brit-Pop-Ding. Wir gehören einfach nicht dazu. Wir sind NICHT Ocean Colour Scene – Gott sei Dank! Ich hasse diese Band. Das ist die einzige Gruppe, über die ich das öffentlich sagen würde. Ich hasse sie, weil sie sich für das Nonplusultra als Songschreiber halten, genau wie Paul Weller. Dem würde ich am liebsten seine Gitarre dahin schieben, wo die Sonne nicht scheint. Deren Sichtweise, dass Popmusik kompliziert sein muss, halte ich für Blödsinn. Morgen spielen wir ein Festival in Portugal, bei dem wir Headliner sind und Ocean Colour Scene die zweite Band am Nachmittag. Unser Name ist riesengroß auf dem Poster und Ocean Colour Scene musst du mit der Lupe suchen. Am liebsten hätte ich ein Foto davon gemacht und es ihnen geschickt. Mann, war ich stolz, als ich das gesehen habe.”